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In der Haut eines Querschnittsgelähmten

Mein Name ist Baptiste Delalay, ich bin 24 Jahre alt. Vor 5 Jahren hatte ich einen Motorradunfall. So schlüpfte ich in die Haut eines Querschnittsgelähmten. Ich erzähle dir meine Geschichte.

Meine Kindheit war, aus meiner Sicht einfach magisch, voller Freundschaften, Erfindungen, Entdeckungen und Abenteuern. Für mich, der von Entdeckungen und Magie träumte war die Schule eine riesige Last. Ich verbrachte meine Zeit damit aus dem Fenster zu schauen und stellte mir vor, auf die Suche nach neuen Horizonten zu gehen. Ich sah keinen Sinn darin, den ganzen Tag in diesem Gebäude eingesperrt zu sein und Dinge zu tun, die ich sehr oft als lästig und langweilig empfand. Die Schule motivierte mich überhaupt nicht. Wie soll man motiviert sein, wenn man weder den Sinn versteht noch sich am richtigen Platz fühlt? Kaum tönte die Schulglocke erlangte ich die Freiheit wieder, und mein volles Glück.

Später habe ich eine Lehre als Elektriker gemacht, dann sehr schnell als Spengler. Auf den Dächern zu arbeiten, unter freiem Himmel, mit Blick von oben auf die Welt, das war der ideale Beruf für mich. Ich fühlte mich frei wie die Luft. Der häufige Wechsel der Einsatzorte erfüllte einen Teil meines Drangs, Neues zu entdecken.

Ich widmete meine Freizeit unterschiedlichen Aktivitäten und Leidenschaften, wie das Motorradfahren, das für mich eine echte Offenbarung war. Was für ein Glück einfach loszufahren ohne sein Ziel zu kennen, und sich zu wunderschönen Orten leiten zu lassen. Das war für mich das ultimative Glück: das der Freiheit, der Geschwindigkeit, der Autonomie. Ich hatte auch viel Spaß an Sportarten wie Snowboarden, Downhillbiken, Fußball, Schwimmen, usw. Aber auch viele Ausgänge, Partys und Alkohol.

2011 beschloss ich mir einen Monat freizunehmen und die Schweiz auf dem Motorrad zu erkunden. Zwei Freunde begleiteten mich auf einem Teil der Reise.

Da mir ein Freund sein Motorrad geliehen hatte weil es für diese Reise wesentlich bequemer war, beschloss ich, ein Reisetagebuch zu führen um ihm meine verrücktesten Geschichten mit seinem Motorrad zu erzählen. Ich weiß noch, dass ich am Morgen des 3. Augusts 2011 eine Stunde vor meinen zwei Reisegenossen aufwachte. Also habe ich die Zeit genutzt, um mich gegen einen Baum am Neuenburgersee zu lehnen und unsere gestrigen Abenteuer aufzuschreiben. In diesem Moment befand ich mich in einem Zustand des vollkommenen Wohlbefindens und sagte mir: „ Ich fühle mich geistig und körperlich so wohl, was mir auch passiert, ich werde mich immer gut fühlen.“ Es war ein Gefühl, als ob ich eine Hürde überwunden hätte. Und das Universum hat es schnell übernommen, mir andere Herausforderungen zu senden, denn einige Stunden später erlitt ich in le Bouveret meinen Motorradunfall. Ich weiß tief in meinem Innersten, dass ich diese Etappe durchleben musste.

Die Strasse ist nass, wir rutschen. Mein Kumpel hinter mir hat eine 11kg schwere Tasche mit dabei. Das Gewicht der Tasche bringt das Motorrad ins Ungleichgewicht und beendet seine Reise an der Bordsteinkante. Und da ereignet sich der Unfall. Mein Freund landet glücklicherweise auf einer Grasböschung und trägt nur oberflächliche Verletzungen davon (Stiche und Glassplitter in der Hand). Mir bleiben meinerseits nur ein paar vage Erinnerungen, wie die, weggeschleudert zu werden und im Kanal neben der Strasse zu landen. Ich kann mich nicht daran erinnern ob ich gegen das Boot das dort lag, oder gegen den Anlegepfahl gestoßen bin. Jedoch bin ich in diesem Moment bereits querschnittsgelähmt. Die Angst beginnt in mir hochzusteigen, mein Helm füllt sich mit Wasser, meine Jacke und Motorradschutz ziehen mich in die Tiefe. Ich kämpfe, um den Kopf über Wasser zu halten, auch wenn ich meine Beine die bereits gelähmt sind, nicht mehr bewegen kann. Als nächstes erinnere ich mich daran, am Ufer zu liegen. Der Freund der uns mit dem Motorrad folgte sieht mich mit großen Augen an und berichtet, mein rechtes Bein sei verdreht. Der Krankenwagen kommt. Dann kann ich mich meinem Vater sprechen: „Hallo Papa, ich hatte einen Motorradunfall, aber mach dir keine Sorgen, nichts Schlimmes (Geräusch des Hubschraubers) Ich muss auflegen, der Hubschrauber ist da.“

Ich werde mit dem Hubschrauber ins Universitätsspital in Lausanne geflogen. Sie operieren mich. Während der Operation durchlebe ich 3 Nah-Tod Erfahrungen. Als ich das erste Mal meinen Körper verlasse, bin ich ein flacher Schatten, der sich von meiner körperlichen Hülle entfernt und gleichzeitig ist es, als ob ich Teil des Raums wäre, als ob ich ein Auge in jedem Millimeter dieses Raums wäre und die Zeit nicht mehr existiere. Das Gefühl in dem Moment, in dem man sich entkörpert ist schwer zu erklären. Es ist wie im absoluten Glück zu baden; das Gewicht unserer Gefühle, unseres Körpers, existiert nicht mehr. Und dann denke ich an meine Schwester zurück… Es ist so, als ob ich meinen Körper einfange und mich an ihn ziehe um zurückzukommen. Beim zweiten Mal denke ich an meine Eltern und kehre auf die gleiche Weise zurück. Das dritte Mal ist es so, als ob ich einen Sprung in die Zukunft mache und alle Menschen in meinem Leben in der Kirche sehe. Ich befinde mich über ihnen, am höchsten Punkt, an die Decke geklebt. Ich sehe die Menschen weinen, unglücklich, und sage mir: „Ich kann so nicht gehen, ohne ein Wort, ich habe nichts für die Menschen die ich liebe, zurückgelassen.“ So entschied ich ein drittes Mal zurückzukommen. Ich habe wirklich die Macht der Entscheidung gespürt. Auch wenn man einfach Lust hat, sich in dieser Wolke der Liebe und des Wohlbefindens gehen zu lassen.

Als ich mich ein paar Tage später nach meinem Erwachen aus dem künstlichen Koma an dieses Ereignis erinnerte, wurde ich von Emotionen überwältigt und habe geweint. Ich erinnere mich noch daran, wie ich meiner Schwester beschrieb was ich erlebt habe. Nach eineinhalb Wochen auf der Intensivstation wurde ich direkt auf die Reha verlegt. Vielleicht ein wenig schnell. Ich war noch mit der Morphinpumpe ausgestattet und wusste nicht genau wo ich lebte. Aber es war wunderbar, den Weg der Genesung so schnell wie möglich anzutreten. Ich erinnere mich, dass sich diese ganze Entwicklung in kleinen Schritten vollzog. Das einfache Aufsetzen im Bett oder die Durchführung eines Transfers löste schon einen Blutdruckabfall aus. Einige Wochen später brauchte ich allein für den Weg im Rollstuhl von meinem Zimmer bis zum Krankengymnasten 20 Minuten und musste mich alle 2 Radantriebe ausruhen. Ich schlief immer ein, überall. Selbst auf meinem Rollstuhl. Die Zeit verging und langsam erwachten meine Lebensgeister. Bis dahin war ich abgekapselt, wie in einer Art Blase. Endlich wurde mir nach und nach klar, dass ich alles verloren hatte: Leidenschaft, Arbeit, Freundin, Autonomie. Nichts wird mehr so sein wie es einmal war. Ich hatte alle meine Orientierungspunkte verloren, mein Gleichgewicht. Ich musste von vorne anfangen, alles wieder neu aufbauen.

 Ein querschnittsgelähmter Patient der heute ein Freund ist, lieh mir ein Buch über Spiritualität. Das war für jemanden wie mich, der damals Lesen überhaupt nichts abgewinnen konnte, eine Offenbarung. Ich fand all das was ich lebte, in den wenigen Seiten die ich täglich las, wieder.

Ich habe schwere Zeiten durchgemacht, aber ich glaube, dass wir die Kraft die wir in uns tragen um den Prüfungen des Lebens zu begegnen, unterschätzen. Nach 8einhalb Monaten Rehabilitation konnte ich das Zentrum endlich verlassen. Anfangs war geplant, dass ich bei meinen Eltern wohne. Da ihr Haus nicht rollstuhlgerecht ausgebaut war, beschloss ich schließlich, mir eine Wohnung zu nehmen und alleine zu leben. Nach einer derartigen Prüfung sein Gleichgewicht wiederzufinden ist wirklich nicht selbstverständlich, denn die Gesundheitsprobleme fordern uns weiterhin jeden Tag heraus. Paraplegie und Tetraplegie beschränken sich nicht allein darauf, gelähmt zu sein. Ihre Auswirkungen sind zahlreich und vielfältig. Nie hätte ich mir eine derartige Komplexität, einfach um zu überleben, vorstellen können. Doch lernt man durch diese Erfahrungen mehr über sich selbst als jeder andere. Man lernt, über seine Grenzen hinauszuwachsen, nicht aufzugeben, immer weiter zu versuchen, eine minimale Lebensqualität wiederzugewinnen. Man wird zu einem echten Krieger. Ich habe großen Respekt vor allen Personen mit Behinderungen, denn ich kenne die Problematiken. Ich sehe sie als Helden, Vorbilder, Menschen mit unendlichem Mut.

Meine berufliche Reintegration zeichnete sich durch unzählige Stolpersteine aus. Ob durch die sehr begrenzte Auswahl, die für mich zulässigen Ausbildungen, Schwierigkeiten mit der Anpassung, den Unterrichtszeiten. Aufgrund meiner Gesundheit und meinen Schmerzen während der Ausbildung, und trotz meinen ausgezeichneten Noten, musste ich aufhören. Aber egal. Nachdem ich mich mit Schmerzmitteln vollgestopft und mich komplett zurückgezogen hatte um mich auf meine Arbeit und Ausbildung zu konzentrieren, bin ich super mager geworden, verlor Kraft und Energie, und war am Ende.

Heute habe ich beschlossen, auf mich zu achten, mich wieder aufzubauen. Ich habe entschieden, mir zu erlauben an mich zu glauben und meine Träume zu leben. Meinem Leben einen Sinn zu geben. Ich bin erst seit ein paar Tagen auf diesem Weg unterwegs, und das Leben hat mir jetzt schon viele wunderbare Dinge geschenkt. Ich fühle mich auch in meinem Körper wohler, bin voll neuer Energie und habe schon weniger Schmerzen. Der Beweis, das man immer auf sein Herz hören und tun sollte was man empfindet, und nicht das, was von uns erwartet wird. Wenn wir mit uns selbst im Einklang stehen, dann schenkt uns das Leben den Rest.

Durch meine Orientierung an der Persönlichkeitsentwicklung um mich selbst wieder aufzubauen, habe ich unzählige Methoden angewandt und Seminare besucht. Ich habe immer schon gerne den Menschen in meinem Umfeld geholfen. Und jetzt habe ich beschlossen, Lebens-Coach zu werden, und Konferenzen abzuhalten um über Behinderungen zu sprechen. Ich möchte zu der Entwicklung dieser Welt beitragen und ihr ein neues Gesicht verleihen, denn ich habe eine unglaubliche und überraschende Welt entdeckt, eine sehr inspirierende Welt, die Respekt und Bewunderung verdient.

Wir arbeiten, gemeinsam mit meinem Partner und Freund Yohan Delalande erst seit ein paar Tagen an diesem Projekt. Er hat daran geglaubt und seine Schule verlassen, um an UNSEREM Projekt zu arbeiten. Er ist der beste Mensch den ich hätte kennenlernen können, um diese Lebensstufen zu teilen. Auch ist er in den Bereichen der Filmbearbeitung, der Verfassung von Drehbüchern, den sozialen Netzwerken und allen Technologien sehr begabt. Seit kurzem ist er Youtuber und ich weiß, dass er bald großen Erfolg haben wird. Uns verbinden viele gemeinsame Werte wie der, so vielen Personen wie möglich zu helfen und dazu beizutragen, die Welt positiv zu verändern. Wir haben gerade erst angefangen an verschiedenen Projekten zu arbeiten und die Materialien sind fertig gestellt. Der Inhalt folgt ab Dezember 2016. Ich lade euch ein, uns zu folgen wenn Ihr Lust habt, und diesen Beginn des Abenteuers mit uns zu teilen. Wir werden inspirierende Geschichten mit euch teilen: Interviews mit fantastischen Personen, Sportarten und Aktivitäten die behinderte Menschen ausüben, meine Lebensgeschichte in Bildern und viele andere Überraschungen.

Vielen Dank für’s Lesen. 

„Ich glaube, dass für den der träumt, wagt, arbeitet und niemals aufgibt, alles möglich ist!“

Xavier Dolan

 

Baptiste supports

THE SWISS RECOVERY CENTER

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