Von Richard Rohr Meditation 12. Oktober
Die Liebe versagt nie. Aber wo es Prophezeiungen gibt, werden sie enden; wo es Sprachen gibt, werden sie verstummen; wo es Wissen gibt, wird es vergehen. Denn wir wissen nur zum Teil, und wir prophezeien nur zum Teil, aber wenn die Vollständigkeit kommt, verschwindet das, was zum Teil ist….. . . Denn vorerst sehen wir nur eine schwache Reflexion wie in einem Spiegel; aber dann werden wir von Angesicht zu Angesicht blicken. Jetzt weiß ich es zum Teil, dann werde ich es vollständig wissen, so wie ich es auch bin. 1. Korinther 13,8-10, 12.
Meditiere über die folgenden Passagen aus The Cloud of Unknowing und halte sie in deinem Herzen – hinter der rationalen Kritik oder dem intellektuellen Verständnis. Erlaube ihnen, auf einer tieferen Ebene mit dir zu sprechen. [Klammerworte gehören mir.]
Ich weiß, dass du mich fragen wirst: „Wie kann ich an Gott als Gott denken, und wer ist Gott?“ und ich kann nur antworten: „Ich weiß es nicht.“
Deine Frage führt mich in die Dunkelheit und in die Wolke des Nichtwissens, in die ich möchte, dass auch du eintrittst. Wir können so viele Dinge wissen. Durch Gottes Gnade kann unser Verstand die Schöpfung erforschen, verstehen und darüber nachdenken und sogar über Gottes eigene Werke [wie wir es sollten!], aber wir können uns nicht den Weg zu Gott erdenken. Deshalb bin ich bereit, alles, was ich weiß, aufzugeben, um das Eine zu lieben, was ich nicht denken kann. Man kann lieben, aber nicht denken. [Johannes vom Kreuz und viele andere Mystiker sagen das Gleiche. Wir hätten uns so viele Kämpfe und Spaltungen ersparen können, wenn wir nur diese eine Wahrheit verstanden hätten!]
Durch die Liebe kann Gott angenommen und gehalten werden, aber nicht durch Denken. Es ist manchmal gut, über Gottes erstaunliche Liebe als Teil der Erleuchtung und Kontemplation zu meditieren, aber wahre kontemplative Arbeit ist etwas ganz anderes. Sogar das Meditieren über die Liebe Gottes muss niedergelegt und mit einer Wolke des Vergessens bedeckt werden. Zeige als nächstes deine Entschlossenheit. Lass dich von diesem freudigen Aufrütteln der Liebe entschlossen machen, und trete in dessen Begeisterung tapfer über die Meditation hinaus [kognitive Reflexion] und greife nach oben, um die Dunkelheit über dir zu durchdringen. Dann schlage mit einem scharfen Pfeil der Sehnsucht in diese dicke Wolke des Unwissens und höre nie auf zu lieben, egal geschehen mag…
Es spielt keine Rolle, wie heilig etwas sein mag, kein Gedanke kann dir jemals versprechen, dir bei der Arbeit des kontemplativen Gebets zu helfen, denn nur die Liebe – und nicht Wissen – kann uns helfen, Gott zu erreichen. . . .
Werde beim kontemplativen Gebet blind und halte dich davon ab, Dinge zu wissen. Wissen hemmt, hilft dir nicht bei der Kontemplation. Sei zufrieden und fühle dich auf eine wunderbare, liebevolle Weise von etwas Geheimnisvollem und Unbekanntem bewegt, so dass du dich ganz auf Gott konzentrieren kannst, ohne andere Gedanken als nur an Gott allein zu hegen. Lass deinen nackten Wunsch dort ruhen. . . .
Es spielt keine Rolle, wie viel tiefe Weisheit wir über die erschaffenen geistigen Wesen besitzen; unser Verstand kann uns nicht helfen, Wissen über irgendein nicht erschaffenes geistiges Wesen zu erlangen, welches Gott allein ist. Aber das Scheitern unseres Verstandes kann uns helfen. Wenn wir das Ende dessen erreichen, was wir wissen, finden wir Gott. Deshalb sagte der heilige Dionysios [5./6. Jahrhundert], dass die beste, göttlichste Erkenntnis Gottes diejenige ist, die man durch Nichtwissen kennt.
