Von Josef Studerus
Wenn ein Bienenvolk ausschwärmt, stehen grosse Entscheidungen bevor.
Aus der hängenden Schwarmtraube lösen sich einige hundert Spurbienen und suchen und prüfen mindestens zwölf mögliche Niststätten.
Thomas Seeley, ein amerikanischer Bienenforscher, hat ein Leben lang die Geheimnisse des Bienenvolkes erkundet und gezeigt, wie die Spurbienen hohle Bäume und andere Räume auf ihre Qualität prüfen.
Sie „wissen“, wie gross das Volumen sein muss, damit genügend Wintervorrat Platz hat. – Der Eingang soll nach Süden gerichtet und nicht zu gross sein, sodass er ohne grossen Aufwand gegen Feinde verteidigt werden kann. – Das neue Heim soll auch eine gewisse Höhe über dem Boden aufweisen.
Diese Informationen tragen sie zur Schwarmtraube zurück.
Wie bei der Futtersuche beschreiben die Bienen nun mit einem Schwänzeltanz den Ort, die Entfernung und die Qualität der potentiellen Behausung.
Je intensiver der Tanz, desto besser ist der Platz, den eine Biene gefunden hat.
Nach zwanzig Minuten beendet jede Biene ihren Tanz, der andere Schwestern dazu animiert, den Ort ebenfalls zu begutachten.
So werden während Stunden auf der Schwarmtraube verschiedene Orte angezeigt. Optimale Nisthöhlen werden von mehr Schwestern aufgesucht als weniger geeignete, und allmählich bilden sich Mehrheiten für die besten.
Erst wenn zwei Drittel aller tanzenden Bienen denselben Ort vortanzen, wird der Entscheid gefällt und der Schwarm zieht los.
Der ganze Prozess funktioniert aus folgenden Gründen:
Es gibt ein gemeinsames Wissen über das angestrebte Ziel.
Es gibt Spezialisten (die Spurbienen), welche die Qualität einzelner Lösungen bewerten.
Sie teilen ihre Bewertung der Gemeinschaft mit (ohne Lobbyarbeit!).
Es gibt keine Parteien-Quengeleien, denn sie einigen sich gemeinsam auf die beste Lösung.
Es entwickelt sich dynamisch ein Konsens darüber, wohin die Reise gehen soll.
Das ist Demokratie !