Das Parlament in Österreich hat dafür gestimmt, den Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat zu untersagen. Noch ist allerdings unklar, ob sich das mit EU-Recht vereinbaren lässt.
Österreich hat als erstes Land in der EU den Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat verboten, dies beschloss der Nationalrat am späten Dienstagnachmittag auf Antrag der sozialdemokratischen SPÖ. Mit der Entscheidung wählt Österreich einen umstrittenen nationalen Alleingang, denn das Verbot könnte EU-Recht widersprechen. Die EU-Pflanzenschutzverordnung erlaubt Glyphosat noch bis Ende 2022 – wollen einzelne Mitgliedsländer trotzdem ein nationales Verbot von zugelassenen Wirkstoffen verhängen, dürfen sie dies nur in absoluten Ausnahmefällen tun.
Dass die Entscheidung für das Verbot fallen würde, hatte sich bereits am Nachmittag abgezeichnet. Die rechtsnationale FPÖ hatte schon während einer Parlamentsdebatte ihre Zustimmung zu dem SPÖ-Antrag signalisiert und damit eine Mehrheit in Aussicht gestellt. Als Alternative wurde ein Antrag der konservativen ÖVP diskutiert, die ein Teilverbot des Mittels für den Einsatz in sensiblen Bereichen wie Schulen und Kindergärten sowie den Privatgebrauch vorsah.
Der Chemie-Konzern Bayer, dessen Tochterunternehmen Monsanto Glyphosat herstellt, teilte mit, man erwarte, dass der Beschluss „von der EU-Kommission kritisch hinterfragt und rechtlich angefochten“ werde. Die Entscheidung des österreichischen Nationalrats steht laut Bayer „im Widerspruch zu umfangreichen wissenschaftlichen Ergebnissen zu Glyphosat“.
Um Glyphosat gibt es spätestens seit 2015 heftige Diskussionen. Damals hatte die IARC, ein Gremium der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Die IARC untersucht allerdings nicht, ob ein Mittel bei der Anwendung im Alltag Krebs erzeugt, sondern ob es grundsätzlich dazu in der Lage ist. So stuft die IARC auch den Friseurberuf und den Konsum heißer Getränke als „wahrscheinlich krebserregend“ ein.
Behörden, die die Risiken der alltäglichen Anwendung beurteilen, sehen kein Krebsrisiko – darunter die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) und das Joint Meeting on Pesticide Residues (JMPR), wie die IARC ein Gremium der WHO.
Glyphosat wurde von der heutigen Bayer-Tochter Monsanto als Herbizid auf den Markt gebracht. In Nordamerika wurde das Mittel seit den 1970er Jahren unter dem Markennamen Roundup vertrieben. Der Bayer-Konzern sieht sich in den USA mit einer Klagewelle wegen möglicher Gesundheitsschäden durch Glyphosat konfrontiert. Seit Auslaufen des Patentschutzes wird Glyphosat auch in den Mitteln zahlreicher anderer Anbieter eingesetzt.
Frühere Versuche, den Stoff zu verbieten, scheiterten. So musste das Bundesland Kärnten ein generelles Verbot zurücknehmen. Skepsis in Sachen Verbot weckt auch die „nationale Machbarkeitsstudie Glyphosat“, bei der unter anderem Wissenschaftler der Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU) 400 Studien ausgewertet haben.
Ihrer Einschätzung nach würde ein generelles Verbot von Glyphosat gegen EU-Recht verstoßen. Der Einsatz könne aber deutlich eingeschränkt werden. Zudem bescheinigten sie dem Stoff kein erhöhtes Risiko gegenüber vergleichbaren anderen Pestiziden.
Auch das deutsche Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft betrachtet ein generelles Glyphosat-Verbot mit Skepsis. „An unserer rechtlichen Einschätzung, dass ein Totalverbot (EU-) rechtswidrig wäre, hat sich nichts geändert“, hieß es aus dem Ministerium.
Deutschland will im September über Glyphosat-Verzicht entscheiden
Der Wirkstoff spielt vor allem in Nord- und Südamerika eine große Rolle, wo Landwirte gentechnisch veränderte Pflanzen einsetzen. Solche Pflanzen ermöglichen den Einsatz von Glyphosat auch nach der Aussaat – Pflanzen ohne gentechnische Veränderungen würden nach dem Spritzen daran kaputtgehen. In der EU werden gentechnisch veränderte Pflanzen noch nicht im großen Stil angebaut, daher schränken sich die Einsatzmöglichkeiten von Glyphosat stark ein – bestimmte Felder werden vor der Aussaat damit bespritzt, um Unkraut den Garaus zu machen.
Bisher ist der Einsatz von Glyphosat in keinem Land der Welt verboten. Vietnam hat dies unlängst zwar beschlossen, die Rechtslage ist dort aber auch nicht abschließend geklärt. Zwischenzeitlich gab es ein Verbot in Sri Lanka, die Regierung steuerte aber um.
Die deutsche Bundesregierung will voraussichtlich im September ein Konzept zum Umgang mit Glyphosat präsentieren. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekannte sich jüngst ausdrücklich zu dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Ausstieg: „Wir werden dahin kommen, dass es eines Tages keinen Glyphosat-Einsatz mehr gibt.“
Quelle: Spiegelonline.de