Von Christoph Seidler
Ein weltweites Netzwerk von Teleskopen hat eine Beobachtung ermöglicht, auf die Astronomen seit Jahrzehnten warten: Das erste Bild von einem schwarzen Loch. Wir erklären, was zu sehen ist.
Es ist ein historisches Bild, das Astronomen präsentieren: Ein weltweites Netzwerk von Radioteleskopen hat erstmals den Schatten eines schwarzen Lochs fotografiert. Zur Vorstellung des Fotos in Brüssel hatte neben den beteiligten Forschern des Event Horizon Telescope (EHT) auch EU-Forschungskommissar Carlos Moedas geladen. Weltweit fanden zeitgleich Pressekonferenzen statt. In Washington informierte die National Science Foundation (NSF) die Öffentlichkeit, weitere Veranstaltungen gab es in Chile, China, Taiwan und Japan.
Bisher gab es nur Illustrationen der Schwerkraftmonster
Im Zentrum von vielen, vielleicht sogar allen Galaxien gibt es ein schwarzes Loch. Es handelt sich dabei um einen extremen Ort, an dem sich auf engstem Raum so viel Masse konzentriert, dass selbst Licht der Gravitationswirkung nicht mehr entkommen kann. Auch wenn der Anblick aus Science-Fiction-Filmen bekannt vorkommen mag: Bis jetzt hatte noch niemand solch ein Schwerkraftmonster tatsächlich gesehen. Alle bisherigen Bilder waren stets Illustrationen, wissenschaftlich mal mehr und mal weniger korrekt ausgeführt.
Doch das nun vorgestellte Bild des Event Horizon Telescope ist echt. Es ist möglich geworden, weil Forscher nach jahrelanger Vorarbeit zahlreiche Radioteleskope weltweit so zusammengeschaltet haben, dass sie wie ein einziges, gigantisch großes Beobachtungsinstrument funktionieren. So ist ein virtuelles Teleskop entstanden. Dessen Bildschärfe entspricht der einer einzelnen Antenne mit einem Durchmesser von 8000 Kilometern. Dadurch lässt sich der vergleichsweise kleine Bereich eines schwarzen Lochs detailliert genug abbilden.
Die beteiligten Wissenschaftler machen folgende Rechnung auf, um die Leistungsfähigkeit des Verbunds zu illustrieren: Wären die Augen eines Menschen so scharf wie das EHT, dann könnte dieser Mensch theoretisch über den Atlantik hinweg eine Zeitung lesen. Allerdings beobachtet der Teleskopverbund kein sichtbares Licht, sondern Radiostrahlung mit Wellenlängen von etwas mehr als einem Millimeter. Die eingefangenen Strahlen werden im Bild rot dargestellt, damit das menschliche Auge sie wahrnehmen kann.
Zu den acht eingesetzten Anlagen gehören unter anderem das „Alma“-Teleskop in Chile mit 66 riesigen Radioschüsseln, Teleskope der Europäischen Südsternwarte, ebenfalls in Chile, das IRAM 30-Meter Teleskop bei Granada in der spanischen Sierra Nevada sowie ein Teleskop am Südpol. Sie alle waren zuvor unter anderem mit hochpräzisen Atomuhren ausgerüstet worden, damit sich ihre Beobachtungen synchronisieren lassen.
Ihre Beobachtungen haben die Forscher im Inneren der sehr aktiven Galaxie Messier 87, kurz M87, gemacht, die im Bereich des Sternbildes Jungfrau liegt. Das schwarze Loch dort ist 55 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Es hat eine Masse von etwa 6,6 Milliarden Sonnenmassen.
Auch im Inneren unserer Galaxie, der Milchstraße, gibt es ein schwarzes Loch. Astronomen nennen es Sagittarius A*. Es ist nur etwa 26.500 Lichtjahre von der Erde entfernt und hat eine Masse von etwa 4,1 Millionen Sonnenmassen.
Auch von Sagittarius A* hatte das EHT-Team ein Bild machen wollen. Das ist allerdings vorerst nicht gelungen, unter anderem weil das Herz der Milchstraße in einem dichten Nebel aus geladenen Teilchen verborgen liegt, was zu einem Flimmern der Radiostrahlung und damit zu unscharfen Bildern führt. Forscher hoffen jedoch, das Problem in Zukunft noch lösen zu können.
Einstein war das Konzept suspekt
Die Grundlage für die Idee der schwarzen Löcher – damals hießen sie allerdings noch nicht so – hatte Albert Einstein vor gut hundert Jahren in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie gelegt. Allerdings war ihm das Konzept der „punktförmigen Singularitäten“ suspekt, in denen Materie und Strahlung einfach verschwinden. Im Jahr 1939 hatte der Forscher daher sogar einen Fachartikel veröffentlicht, in dem er zeigen wollte, warum es schwarze Löcher nicht geben kann.
Richtiger lag der Astronom Karl Schwarzschild, der die Idee der schwarzen Löcher während des Ersten Weltkrieges präzisiert hatte. Er hatte berechnet, wie groß der Radius eines bestimmten Objektes sein muss, wenn es so massereich ist, dass selbst Licht seiner Gravitationswirkung nicht mehr entkommen kann.
Licht und Materie, die einmal den sogenannten Ereignishorizont des schwarzen Lochs – englisch: event horizon – überqueren, können nicht mehr nach draußen gelangen. Daher auch der Name des Event Horizon Telescope. Sogar die Zeit bleibt im Inneren eines schwarzen Lochs stehen. Der Physiker Stephen Hawking hat zwar postuliert, dass schwarze Löcher auch geringe Mengen an Strahlung aus ihrem Inneren wieder abgeben. Diese Hawking-Strahlung ist allerdings noch nie beobachtet worden.
Unmittelbar um das schwarze Loch herum geht es dagegen extrem turbulent zu: Große Mengen an Materie rotieren mit unvorstellbarer Geschwindigkeit. Man kann sich das wie den Strudel einer Badewanne vorstellen. Forscher sprechen lieber von einer Akkretionsscheibe. In ihr entstehen große Mengen an Strahlung, weil sich das herumwirbelnde Gas auf Millionen Grad Celsius aufheizt und zu strahlen beginnt.
Geheimnisvolle Jets
Vor rund hundert Jahren haben Astronomen erstmals beobachtet, dass sogenannte Jets, extrem energiereiche Teilchenstrahlen, aus manchen Galaxien weit hinaus ins All schießen. Seit einigen Jahrzehnten werden diese in Zusammenhang mit schwarzen Löchern gebracht. Die Jets entstehen an der Akkretionsscheibe, die Details waren bisher noch etwas unklar. Doch während sich die Jets gut beobachten lassen, waren die schwarzen Löcher selbst unsichtbar. Das liegt nicht nur daran, dass sie eben schwarz sind, sondern auch daran, dass sie normalerweise hinter Staub- und Plasmawolken verborgen liegen.
Das Foto ist aus zahlreichen Einzelmessungen zusammengesetzt. Bei den Beobachtungen des EHT waren in den Jahren 2017 und 2018 mehrere Petabyte an Daten zusammengekommen. Diese wurden an den Teleskopen mit Festplatten gespeichert und später per Post zu Datenzentren am Haystack Observatory in Boston (Bundestaat Massachusetts) und am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn geschickt. Dort wurden die Informationen dann über Monate bearbeitet und mühevoll zusammengefügt. So entstand das Bild, das nun präsentiert wurde.
Das EHT sollte Forschern auch erlauben, Einsteins Vorhersagen der Relativitätstheorie in einer extremen Umgebung am Rand eines schwarzen Lochs zu überprüfen. Bisher hat die Theorie noch jedem Test standgehalten. Für manche Physiker ist das unbefriedigend, weil sie gern eine neue Theorie der Schwerkraft entwickeln würden.
Quelle: Spiegel.de