Liebe Freunde,
vier Monate vor seinem Tod[1] sprach Jiddu Krishnamurti letztmalig vor einem öffentlichen Publikum. In leidenschaftlicher Sorge um die Zukunft der Menschen sprach er über die Tatsachen des täglichen Lebens und erklärte dabei mit Nachdruck, „dass die Menschen trotz der erstaunlichen technologischen Vorschritte psychologisch die Barbaren geblieben seien, der sie waren, als sie auf der Erde erschienen“[2]. Jeder von uns, erklärte er, sei für die Brutalität, die Untaten und die gesellschaftlichen Widersprüche verantwortlich, denn sie seien nur eine Widerspiegelung unserer inneren Haltung, und die Welt könne nur durch eine „Mutation“ in jeder menschlichen Psyche vor dem Chaos gerettet werden. Die Veränderung müsse jetzt geschehen, denn was wir heute sind, würden wir auch morgen sein. Krishnamurti versuchte besonders dringlich in seiner letzten Rede seine Zuhörer davon zu überzeugen, dass es höchste Zeit für jeden einzelnen sei, sich jetzt, in diesem Augenblick, zu ändern, um die Menschheit vor Vernichtung zu bewahren. Die bessere Zukunft, wenn es denn eine geben sollte, beginnt jetzt.
Den scheinbaren Widerspruch zwischen dem Mann, der spirituelle Organisationen ablehnt und der sich am Ende seines Lebens als das Haupt von mehreren sieht, hatte er bereits 1929 gelöst, als er am Ende seiner berühmten Rede anlässlich der Auflösung des „Orden des Sterns im Osten“[3] sagte: „Diejenigen aber, die es danach verlangt, die danach streben zu finden, was ewig, ohne Anfang und Ende ist, werden mit größter Intensität ihren Weg miteinander gehen, sie werden eine Gefahr sein für alles, was wirklich wesentlich ist, für Unwirklichkeiten, für Schatten.[4] Und sie werden enger zusammenwachsen, sie werden zur Flamme werden, weil sie verstehen. Einen solchen Kern müssen wir schaffen, das ist mein Ziel. Aufgrund dieser wahren Freundschaft wird wirkliche Kooperation seitens jedes einzelnen sein. Und dies nicht aufgrund von Autorität.“
Im Weltall herrscht eine erstaunliche Ordnung. Wo immer der Mensch hinzukommt, schafft er Unordnung. Deshalb frage ich: kann ich, als ein Mensch, der die übrige Menschheit ist, zuerst in mir selbst Ordnung schaffen?
Die letzten Worte, die Jiddu Krishnamurti in seiner letzten Rede hielt waren: Solange das alles nicht vorbereitet, das alles nicht Ordnung ist, können Sie nicht in diese (neue) Welt, die Welt der Schöpfung, eintreten. Es endet. (Diese beiden Worte sind kaum hörbar gewesen, mehr gehaucht als gesprochen).
Liebe Freunde,
da wir unauflöslich ein aktiver Teil des Ganzen sind, können wir uns in einen holistischen Seinszustand hineinbegeben, ganz werden und mit der schöpferischen Kraft des Universums in Verbindung treten. In diesem Zustand des Seins sind wir aktive und vollbewusste Schöpfer. Mit der Annäherung an diese universale schöpferische Kraft, die wir als Liebe erfahren, identifizieren wir uns zunehmend mit unserem Selbst und verschmelzen mit dem Gott, den ich Allschöpfer nenne. Hierzu ist der erste Schritt unsere wahre Selbsterkenntnis („Erkenne dich selbst!“ – gnóthi sautón!).
Me Agape
Euer Dieter Broers